Eine Frage, der ich nachgehe und ein Statement dazu von Frauke Ludwig, Gründerin von EinfachEltern® und selbst Mutter von zwei Kindern. Wie geht ihr mit dieser Herausforderung um?
Es ist Abend, das Zelt ist aufgebaut und der Campingkocher steht. Auf unserer Reise 2018 durch Schweden sind wir im Vimmerby angekommen. Morgen soll es nach Katthult zu Michel aus Lönneberga gehen. Ich mache mich daran, das Abendessen zu kochen. Meine Kinder haben immer gesagt: Papa, du kannst ganz toll „Warmmachen“. Nicht wirklich ein Kompliment, wenn auch liebevoll gemeint – und so habe ich mich in letzter Zeit darum bemüht, in den Papa-Zeiten etwas „anspruchsvoller“ zu kochen, was nicht immer auf Gegenliebe stößt oder gelingt. Zu wenig Nuggets, zu viel Gemüse, kenne ich nicht mag ich nicht.
Ich habe also für die Sprößlinge gekocht und sie sitzen vor ihren Tellern und essen nicht so, wie ich es mir vorstelle. Da habe ich jahrelang versucht, ihnen Tischmanieren beizubringen, diese auch vorgelebt und mal sanft und mal hart ermahnt und trotzdem … Schlürf, Klecks, Hand unter dem Tisch, Gabel voll wie ein LKW und zu guter Letzt wird auch der Teller nicht aufgegessen. Dazu kommt: ich weiß dass sie es können. Neben den allgemeinen Ermahnungen durch mich (die nicht unbedingt das gemeinsame Essen für beide Seiten vergnüglicher machen), kommt dann auch noch die Frage auf: Dürfen sie jetzt noch einen Nachtisch essen oder nicht?
Psychologisch ahne ich, dass es möglicherweise falsch ist, seine Kinder dazu zu bringen, den Teller leerzuessen, um dann, völlig satt, noch Nachtisch zu essen. Meinem Wertesystem folgend fällt es jedoch extrem schwer zu sagen: Prima, dann lass uns doch das Essen wegwerfen weil du mehr Lust hast, etwas anderes zu essen. Esse ich es selbst, bin ich kugelrund nur weil ich nichts wegwerfen will und das auch vorlebe. Zwinge ich sie aufzuessen, stopfen sie sich voll und das ganze Essen an sich wird eine Qual. Obendrauf kommt noch die Frage, wieso kann man nicht auch etwas essen, was nicht so schmeckt, weil es eben auf dem Teller ist?
Ich komme nur schwer aus diesem Dilemma heraus und frage mich oft, was hätte ich anders machen können und was kann ich anders machen? Es soll für alle ein schöner Moment sein wenn man gemeinsam ist und nicht nur Mittel zum Zweck.
Frauke Ludwig leitet die Ausbildungsplattform EinfachEltern® und ist Fachfrau für bindungsorientierte Begleitung. Sie sagt dazu folgendes:
Als Mutter zweier Kinder kann ich direkt sagen, dass ich dieses Dilemma kenne und es selbst auch wirklich anstrengend finde, wenn wir uns Mühe geben, gesund und vollwertig zu kochen und die Kinder das einfach nicht zu schätzen wissen. Wenn wir aber wissen, warum das so ist und woher das eigentlich kommt, dann entwickelt sich meist ein ganz anderer Blick auf unsere Kinder und die Situation.
Zunächst haben Kinder wesentlich mehr und sensiblere Geschmacksknospen als wir Älteren und wenn wir mal ehrlich sind, haben wir in jüngeren Jahren auch noch nicht das Repertoire von heute lecker empfunden. Ein Kind schmeckt viel intensiver und auch noch andere Nuancen als wir und die sind eben nicht immer der Hit. Ein weiterer spannender Aspekt ist der, dass es ein integrierter Schutzmechanismus ist, dass wir ungefähr ab dem zweiten Geburtstag bis in die Pubertät hinein kaum noch Dinge probieren, die wir vorher nicht schon kennen- und lieben gelernt haben.
Ab dem Zeitpunkt wären wir früher, als wir noch in Sippen und als Nomaden lebten, mit anderen Kindern auf Entdeckungsreisen gegangen. Da hätte es uns das Leben kosten können, hätten wir Pflanzen gegessen, die uns nicht bekannt waren. Vor allem bittere und grüne Dinge werden aus diesem Grund tunlichst gemieden. Sie könnten tödlich sein.
Sind die Kinder allerdings in der Kita oder Schule, essen sie gerne auch zwei oder mehr Teller eines Gerichtes , das sie zu Hause nicht mal probieren würden. Das hat den Hintergrund der Gruppendynamik. Essen andere Kinder das Dargebotene, kann es ja nicht allzu gefährlich sein und schon langt man zu. Für uns kochenden Eltern mega nervig, denn wir geben uns ja genau die oben von Rüdiger beschrieben Mühe und keiner will das gute Zeug dann essen.
Was können wir denn aktiv machen?
Die Kinder aktiv mit in die Essensplanung, den Einkauf und die Zubereitung einbeziehen. Dann können sie ja fast nicht anders als es gut finden, denn sie haben ja mitentscheiden dürfen – was ganz nebenbei unfassbar gut für das Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl ist. Wenn die Kinder jetzt nur Pizza, Pommes, Currywurst vorschlagen, kann man – je nach Alter – durchaus mal einen kurzen Film mit ihnen anschauen, der zeigt, wie wichtig gesunde Lebensmittel sind. Es ist immer gut, wenn andere den Kindern das erklären als man selbst. Der Prophet im eigenen Dorf wird nie wirklich ernst genommen.
Der nächste Tip wäre, einfach locker zu bleiben, den Kindern den Quatsch zu servieren, den sie wirklich gerne mögen und zusätzlich immer ordentlich Rohkost hinzustellen – im besten Falle vorher schon. Dann haben sie wichtige Vitamine zu sich genommen, die in warmen Essen durch den Kochvorgang meist schon verloren gehen. Geschnittenes Obst und Rohkost kommen bei Kindern in den meisten Fällen sehr gut an und wir können uns bezüglich der Nährstoffe einigermaßen entspannen.
Ein weiterer Punkt ist der, dass wir Eltern uns angewöhnen dürfen, den Kindern nicht die Teller zu füllen. Das sollten sie im besten Falle selbst erledigen. So bekommen sie ein Gefühl dafür, welche Mengen sie schaffen und dass man vielleicht weniger und dafür häufiger den Teller befüllt. Die ersten Male sind die Augen vermutlich noch größer als der Magen, aber wie toll, wenn man das selbst herausfinden darf und nicht die Eltern einen um diese wichtige Erfahrung bringen.
Am einfachsten für alle Beteiligten ist es, wenn man den Druck aus rausnimmt. Wir sind dann weniger beleidigt, wenn unser Konzept nicht aufgeht und die Kinder sind nicht verzweifelt, wenn wir schon wieder das falsche Essen auf den Tisch gestellt haben. Denn zu sagen, dass es einem eigentlich nicht schmeckt, das macht niemand gerne. Wieviel schöner wäre es, wenn alle glücklich am Tisch säßen. Aus diesem Grunde gibt es bei uns ganz häufig á la carte. Auch wenn das für mich bedeutet, immer mal wieder drei Gerichte gleichzeitig zu kochen. Ich möchte Salat essen, das eine Kind Nudeln und das andere Milchreis. Wie wunderbar, dass hier jeder gesehen wird und dass nicht ich für alle entscheide sondern jeder für sich selbst. In ein paar Jahren ziehen meine Kinder aus, gründen eigene Familien. Dann habe ich vermutlich gar keinen Essens-Stress mehr – meine Kinder wurden aber bei mir mit einem wundervollen Gefühl groß. Dass sie mitentscheiden, mit kochen, mit gestalten durften.
Was ist eure Meinung dazu? Wie handhabt ihr das und was sind eure Erfahrungen?